« Zonic Radio Show Nord » Unsternsche Kosmen, Fraktus-Reunion, Basinski-Suppensounds #36
Unsternsche Kosmen, Fraktus-Reunion, Basinski-Suppensounds
Verdrehungen und Verquircksungen, Halbwahrheiten, Lügen, Fakes und Mockumentaristisches liegen derzeit hoch im Trend.
Hans Unstern nennt sein neues Album “The Great Hans Unstern Swindle” und strickt eine spleenige Vorabpromotion mit verwirrenden Pressekonferenzen und quatschigen Fehlinformationen drumrum. Die acht Stücke des abermals auf Staatsakt erscheinenden Zweitlings des Bärtigen, treiben die Sprachdichte von “Kratz Dich raus” noch eine Spitze höher. “Ich seh Dich in die See pissen mein Horizont im Hochwasser beim Nachtreten beim Hinterherkotzen Fische prügeln sich um Dein Erbrochenes” reiht er im spröden Seefahrershanty “Ergiebig und Erschwinglich” aneinander. Unstern erschafft mit seinen Texten wieder Bilder von märchenartiger Verwegenheit und herbstlauniger Elegie.
Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk drehen in diesem Jahr nochmal richtig auf. Bei Roof Music erscheinen in Bälde gesammelte Telefonarbeiten von Studio Braun und am 8.11. kam endlich der lang erwartete Film über Fraktus heraus.
Die Elektropioniere Fraktus prägten Anfang der Achtziger den Prä-Techno-Sound maßgeblich mit. Wie das bei genialischen Vorreitern eben so ist, kam die Band nie über mehr als Szene-Kultstatus heraus. Es kam zum Verwürnis: die Band zerstritt sich, getrennte Wege wurden eingeschlagen: Ibiza-Technot mit DJ Ötzi-Strickhaube, Optiker mit Hang zum absurden Seitenscheitel, Internetcafébetreiber mit ohne Frisur. Ein findiger Produzent machte die drei Bandmitglieder drei Dekaden später – eine Reunion anstrebend – ausfindig und bemühte sich, die Zankhähne wieder auf eine Bühne zu holen.
So zumindest erzählt es die Film gewordene Fake-Legende über das Projekt Fraktus. Passend zur Mockumentary im Kino erscheint am 9. November das Best-Of von Fraktus: “Automate” in der Millenium Edition. Drauf sind Stücke, die in Zusammenarbeit mit dem einzigartigen Erobique – sexiest Beau im Discotier-Zoo – entstanden. Auch hier, im Sound, wurde ein clevere Lüge aufgestapelt, die Stücke klingen in ihrem warmen Synth-Gerumpel tatsächlich wie von vor 30 Jahren.
Kein Fake-Reissue, sondern ganz normal bei Temporary Residence Limited wiederveröffentlicht, wurden jüngst die gesammelten Disintegration Loops von William Basinski. Die vormals auf diversen Volumes verteilten Aufnahmen sich selbst zersetzender Bandschleifenklänge, erscheinen nun gesammelt auf insgesamt neun Vinyls und 5 CDs. Auch Can kramten im Archiv und stellen auf dem 3-CD-Boxset “The Lost Tapes” allerhand Unveröffentlichtes erstmals auf Tonträger zur hörbaren Verfügung.
Dieses und mehr – bspw. Christian Kracht mit Lesungen seiner Werke durch Dirk von Lowtzow, Schorsch Kamerun und Dieter Meier – in der diesdonnerstäglichen Zonic Radio Show Nord.
Jetzt neu: moderiert im Deutschlandradio-Style. Räusper, raschel.
Playliste
- Hans Unstern – Hülle
- Ken Nordine – Manned Space Capsule
- Hans Unstern – Hülle
- Little Wings – I Thought You Were Singing To Me
- Hans Unstern – Ich Schäme Mich
- Simon & Garfunkel – A Poem On The Underground Wall
- Christiane Rösinger – I’m Sticking With You
- Hans Unstern – Ergiebig und Erschwinglich
- The Swingle Singers – Fugue In C Minor
- Fabian – This Friendly World
- Can – Private Nocturnal
- Vaino Väisänen Vega – Outrage For The Frontpage
- Hans Unstern – Viktor Marek’s “be my Parachute” Rehmix
- Shaka – Nella
- Fraktus – Untergrund
- Fraktus – Jagd Den Fuchs
- Studio Braun – Flöhe
- William Basinski – dlp 1.3
- Clint Heidorn – +33° 58′ 41.85″, -117° 49′ 13.74″ (The Oak Tree)
- Kreidler – Sun
- Roedelius Schneider – Single, Boogie
- Fraktus – Lady Godiva
- Raymond Scott – Night & Day
- Bing Crosby – June in January
- Mikrokolektyw – Revisit
- Clint Heidorn – Untitled (#09)
- William Basinski – dlp 5
- Fraktus – Kleidersammlung
Erstausstrahlung der Sendung war am 8. November 2012 auf Radio 98eins.
Zonic Radio Show Nord
Mit der “Zonic Radio Show Nord” bestreitet M. Hiller ein Radiounterhaltungsformat mit stilistisch breitenhorizontaler Ausprägung. Allesamt verstehen sich i.w.S. grenzforschend und stiloffen. Die Z.R.S.N. wühlt sich, gern auch rückblickend – aufgehangen an mehr oder minder neuen Releases – Ketten und Wege knüpfend, aufzeigend, musikalisch strickend, durch die Veröffentlichungskataloge.
Die Zonic Radio Show Nord versteht sich als eine Art Kessel Buntes. Misch und Masch, Hick und Hack. Neuheiten, die im Massenstrudel an Veröffentlichungen unterzugehen drohen finden hier einen Anker. Oft geben jene Anlass zu ausgedehnten Rückblicks- und Verkettungs-Sonderstrecken, in denen die Backkataloge und die musikalische Vita der Künstler vom Tellerrand aufgezäumt werden. Randständige Veröffentlichungen in Form von B-Seiten, verschollenen Remixen / Edits und mehr oder weniger heimlich getätigten Samplerbeiträgen finden hier ihre Sendung in den Äther.