« DT64-Konzert » Bobo in White Wooden Houses und Rainbirds: Live
Bobo in White Wooden Houses
Kurze Rückblende. Anfang der Neunziger Jahre verzauberten Bobo in White Wooden Houses mit dem Hit "Hole in Heaven" ein ganzes Land und waren kurz darauf mit ihrem ersten selbst produzierten Album in aller Munde.
Auftritte im Vorprogramm von Billy Bragg und John Cale, ein Hauch der weiten Welt. Bald füllten sie selbst große Hallen. Aber dann musste die Band den Verlust ihres Gitarristen betrauern und alles wurde anders.
Nach einer Pause reisten sie nach England und schlugen ein neues Kapitel auf. Weg vom Folkpop, hin zu Electrobeat und Ambient. "Cosmic Ceiling". Aufbruchstimmung, alles sollte anders sein.
Nachdem Bobo dann 1996 mit dem London Session Orchestra unter der Leitung von Wil Malone ihr bis dahin reifstes Album veröffentlicht hatte, wurde es plötzlich ruhig um sie. Es schien, als hätte sie die Fensterläden ihrer weißen Holzhäuser lange Zeit nach innen geklappt: Im Radio hörte man ihre Stimme derweil als Rammsteins „Engel“ oder auf verschiedenen Dancetracks von Blank&Jones.
Auf die Frage, wo sie denn all die Jahre gesteckt habe, würde sie vermutlich antworten: In den White Wooden Houses natürlich! Und damit wäre ihre ganz eigene Welt gemeint, die auch in den Jahren, in denen man nicht viel von ihr gehört hat und in denen es aus diesen und jenen Gründen schwer war, überhaupt etwas zu veröffentlichen, ungebrochen vom Spirit der Musik genährt war.
Dann - 2007- kamen plötzlich gleich zwei Alben zur selben Zeit heraus. Ein im Alleingang veröffentlichtes Singer/Songwriter- Album und gleichzeitig „Lieder von Liebe und Tod“, ein mutiges Werk mit Neuinterpretationen deutscher Volkslieder und Texten der Romantik, für das sie im Jahr darauf den deutschen Weltmusikpreis bekommen hat. Scheinbar völlig verschiedene Welten, aber nicht für Bobo. Wer sie genauer kennt, kann die Verbindung spüren.
Und ob sie nun alte Volksweisen in völlig unkonventioneller Weise interpretiert oder ein weiteres Licht in ihren „Houses“ entzündet:, im Zentrum steht ihre klare Stimme, die Liebe zum Gesang, Leidenschaft und der Wille, das Leben mit schöner Musik zu füllen. 2010 erscheint das Album „Transparent“, mit dem Bobo in White Wooden Houses abermals zu neuen Ufern aufbrechen. Live eingespielt in einem alten Kinosaal auf der Ostseeinsel Rügen und später in der Berliner Chill Factory in Form gegossen, wurde daraus eine Art Konzeptalbum, auf dem sich Popsongs und improvisierte Stimmungen abwechseln. Am Bass und Schlagzeug die Männer der Urbesetzung, Lexa Schäfer und Andrew McGuiness, an der Gitarre: Jan Stolterfoht, der mit seinem psychedelischen Gitarrensound und als Produzent des Albums mehr als nur ein neuer Weggefährte ist. Und jetzt ist Bobo wieder eingezogen in ihre White Wooden Houses. Für das DT64 Festival öffnet sie mit ihrer Band die Fenster und lässt uns tief hineinschauen in ihre einzigartige Welt.
- Git. Jan Stolterfoht/ bass: Lexa Schäfer/ drums: Heiko Jun
Rainbirds - Yonder
Wenn sich eine spontanen Idee als Lebensprojekt entpuppt, die jugendliche Euphorie von einst in der Mitte des Lebens nachhaltige Leidenschaft entfacht und jede Rückschau zugleich einen Neuanfang birgt, treffen wir uns auf eben jenem Terrain, auf dem die Rainbirds ihr neues Album „Yonder“ ansiedeln.
Wäre Katharina Franck 1988 prophezeit worden, dass sie den Rainbirds-Hit „Blueprint“ ein viertel Jahrhundert später in einem völlig neuen Gewand ein zweites Mal in den Äther schießen würde, hätte sie wohl nur den Kopf geschüttelt. Doch wer hätte damals auch ahnen können, wie sehr sich das Umfeld der Berliner Band und somit auch die Musiker selbst im Lauf der Jahre verändern würden. Die Geschichte der Rainbirds ist tausendfach erzählt worden, Katharina Franck wandelt seit anderthalb Jahrzehnten erfolgreich auf Solopfaden, den Blick konsequent nach vorn gerichtet. Mit dem Club der Toten Dichter oder ihren Gesprochenen Popsongs, um nur zwei ihrer späteren Projekte zu nennen, fand sie unentwegt neue Herausforderungen. Sie erfand sich als Künstlerin immer wieder neu und musste sich selbst ihren treuen Fans aus den Anfangstagen gegenüber niemals über ihre Vergangenheit als Regenvogel definieren.
Wer jedoch unbeirrt dem Horizont entgegen fährt, muss den Rückspiegel stets fest im Blick behalten. Die alten Lieder holten die rastlose Song-Poetin immer wieder ein, bauten sich in neuen Kulissen vor ihr auf, verlangten nach zeitgemäßen Interpretationen. 2013 war es endlich soweit. Katharina Franck traf sich mit Cultured Pearls-Drummer Bela Brauckmann und dem umtriebigen Elektronik-Musiker Gunter Papperitz, der u.v.a. für Peter Fox und Miss Platinum arrangiert und komponiert, um eine unsentimentale Reise in die eigene Vergangenheit anzutreten. Ursprünglich sollte es eine Katharina-Franck-Retrospektive werden. Brauckmann und Papperitz fungierten zunächst hauptsächlich als Produzenten. Die Auswahl der Songs überließ die Sängerin ihren beiden Mitstreitern, denen sie einen wesentlich unverstellteren Blick auf ihr bisheriges Gesamtwerk zutraute.
Alte Songs? Keineswegs, die Brisanz der Texte war geradezu frappierend, die Melodien noch genauso packend wie einst, der neue Sound jedoch griff mit Wucht und Grandezza in den aktuellen Raum. Die Jungs legten sich unheimlich ins Zeug, und ehe sich alle drei Beteiligten versahen, wurde aus der Retrospektive mit einer Sängerin und zwei Produzenten eine kompakte Band von drei gleichberechtigten Musikern. Was hätte da näher gelegen, als diese Band Rainbirds zu nennen, ein Logo, das Katharina Franck ohnehin wie eine zweite Haut künstlerisch umhüllt. Im Studio gesellten sich zu dem Trio noch Gitarrist Dirk Berger, (Lychee Lassie, Peter Fox u.a.) und Club der toten Dichter-Bassist Markus Runzheimer.
Bei den Liedern auf „Yonder“ handelt es sich unverkennbar um die bekannten Songs, einige davon bewährte Gassenhauer wie „Blueprint“, andere versonnene Balladen. Doch den Rainbirds anno 2014 geht es gerade nicht um Zeitlosigkeit, sondern um Aktualität. Die Songs erreichen Ohr und Befindlichkeit des Hörers als Statements von heute. Nie zuvor war Katharina Francks Stimme so kraftvoll, expressiv und präsent, auf keiner anderen CD ist ihr die Verbindung zwischen unbedarft konsumierbarem Popsong und tiefgründig präzisem Kunstlied so organisch aus der Kehle geschlüpft wie hier. Da bis auf zwei Ausnahmen alle Lieder bereits in Erstversionen vorlagen, konnten sich die drei Überzeugungstäter voll und ganz auf die Interpretation im Augenblick fokussieren und sich ein Höchstmaß an spontaner Kreativität abverlangen, das im Endergebnis so leichtfüßig daherzukommen scheint.
Wenn es auf dieser Platte überhaupt um eine Frage geht, dann, was machen diese Lieder mit uns heute? Nur die Fans der ersten Stunde werden in „Yonder“ ein Best-of-Album erkennen. Es liegt wohl in der Natur eines derart panoramaartigen Pop-Experiments, dass der eine oder andere Fundamentalist von einst die Songs in ihrer neuen Form als entweiht empfinden wird. Sei’s drum. Katharina Franck wollte ganz bewusst keinen zweiten Aufguss. In alten Zeiten zu schwelgen, mögen sie auch noch so aufregend gewesen sein, liegt ihr nicht. Sie mag es auch nicht, von einer Reunion oder Neuauflage der Rainbirds zu sprechen. Katharina Franck, Bela Brauckmann und Gunter Papperitz - das sind die Rainbirds, fertig. Von unterschiedlichen Startpositionen aus begeben sie sich gemeinsam auf Entdeckungsreise. Es macht wenig Sinn, die einzelnen Stücke auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen. Viel interessanter ist die Frage, wohin sie uns tragen?
Dass die Veröffentlichung des ersten von insgesamt sechs Studioalben der Rainbirds gerade 25 Jahre zurückliegt, ist ein willkommener Zufall, aber nicht mehr. Der Anlass für die neue CD ist viel mehr als eine Jubiläumsoption. „Yonder“ steht für eine jener Geschichten, die das Leben selbst unversehens schreibt, ob man das nun bewusst initiiert oder nicht.