Berlin/Potsdam, 20. Juni 2025

Wer im kommenden Jahr in Berlin oder Potsdam sein Radio einschaltet, soll auf UKW kein Freies Radio mehr empfangen können. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg mabb verhindert ab 2026 nichtkommerzielle Anbieter im analogen Hörfunk, während kommerzielle Sender und der öffentlich-rechtliche rbb weiter empfangbar bleiben. Die Freien Radios fordern von der Medienpolitik und der Medienregulierung in Berlin und Brandenburg Chancengleichheit und eine Änderung des Medienstaatsvertrages beider Länder.
Der Verbund Freier Radios Berlin und Brandenburg fr-bb verliert mit der Entscheidung des mabb Medienrates seinen wichtigsten Verbreitungsweg. Wer die lokalen, zugangsoffenen, selbstverwalteten und werbefreien Radios aus den verschiedensten Stadtteilen Berlins bisher auf der 88,4 MHz oder aus Potsdam auf der 90,7 MHz empfangen hat, kann das ab 2026 nur noch digital über DAB+ oder per Stream tun.
Die bisherigen Zuweisungen auf UKW sollen an die kommerzielle Anbieter ByteFM und jazz fm für sieben Jahre vergeben werden. Diese Entscheidung bedeutet nicht nur einen Verlust von Vielfalt, Experiment und Alternative im analogen Äther beider Städte, sondern auch eine Verdrängung von finanzschwächeren Hörfunkveranstalter*innen. Denn Freien Radios stehen keinerlei Einnahmen aus Werbung und Sponsoring oder direkt aus Rundfunkbeiträgen zur Verfügung. Die Politik in Berlin und Brandenburg hat es bisher versäumt, eine Anerkennung Freier Radios und entsprechende bedarfsgerechte Fördermöglichkeiten im gemeinsame Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg (MStV BE/BB) zu verankern, wie sie in einer Mehrzahl der anderen Bundesländer üblich ist.
Freie Radios als soziale Orte lokaler Kommunikation
Die Radios befürchtet deshalb ab kommendem Jahr einen spürbaren Verlust an Hörenden und auch Radiomachenden. Der Zugang zu den seit 15 Jahren genutzten Frequenzen musste erst viele Jahre zuvor müßig erkämpft werden. Seit den 1990er Jahren hat sich der fr-bb zum größten Berliner und Brandenburger Radionetzwerk mit mindestens 120 Radioredaktionen in dezentralen Radiogruppen und -studios entwickelt. Als langjähriges Mitglied im Bundesverband Freier Radios, in der europäischen Sektion des Weltverbandes Freier Radios AMARC und im Community Media Forum Europe (CMFE) agieren sie im Rahmen der Charta Freier Radios.
Das ist Freies Radio in Berlin, Potsdam und Brandenburg
- über 300 ehrenamtliche Sendungsmacher*innen gestalten hier das Programm
- Sendezeit auf 88,4 & 90,7 MHz: 96 Stunden pro Woche, jeweils von Montag bis Donnerstag
- große Programmvielfalt mit einer breiten Palette gesellschaftlicher Gruppen, Themen, Formate, Musikstile & Sprachen
- langjährig gewachsene und tief verwurzelte Präsenz in den Bezirken und in der Region
- einzigartiges Hörfunkangebot, das sich von kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Angeboten abhebt
Freie Radios sind deshalb unabdingbar in einer demokratischen und diversen Medienlandschaft und benötigen dafür gleiche Chancen für die Verbreitung ihres Programms.
Kritische Medienkompetenz gegen rechte Ideologien und Fake-News
Dementsprechend sind die Radiomacher*innen von der Begründung des mabb Medienrates irritiert, der sowohl für die 88,4 MHz gegenüber ByteFM als auch für die 90,7 MHz gegenüber jazz fm einen höheren Vielfaltsbeitrag erwartet. In der Begründung wurde den Freien Radios auch zum Nachteil ausgelegt, dass der von Freitag bis Sonntag sendende zweite UKW-Zuweisungsinhaber (Radio Netzwerk Berlin e. V. ) sich nicht ebenfalls auf das Weiterführungsinteresse berufen hat, obwohl der fr-bb nicht mit diesem Anbieter organisatorisch oder inhaltlich verbunden ist.
Der fr-bb fordert deshalb die Verantwortlichen in der Berliner und Brandenburger Medienpolitik und Medienregulierung auf, Freien Radios künftig den Zugang zu allen Verbreitungswegen medienrechtlich sicherzustellen. Neben einer Anerkennung im Medienstaatsvertrag braucht es neben dem Zugang zu DAB+ und Streaming eine noch wesentlich längere Verbreitung über UKW, solange im Sendegebiet nicht der gemeinsame Ausstieg aller Anbieter aus dem analogen terrestrischen Hörfunk erfolgt.
Außerdem fehlt eine auskömmliche, langfristige und staatsferne Förderstruktur, die über die bisherige Förderung der Verbreitungskosten und die Anschaffung einzelner technischer Geräte hinausgeht. Auf EU-Ebene und auch weltweit sind Community Media besonders zu schützen, wie entsprechende Erklärungen von UNESCO, OSZE, Europarat und europäischem Parlament zeigen. In Berlin und Brandenburg besteht dringender Handlungsbedarf, damit Freie Radios nicht länger unter prekären Bedingungen bestehen müssen.
Für Rückfragen stehen Ihnen der fr-bb gern zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich dazu per Mail an: kontakt@fr-bb.org
Dem fr-bb gehören folgende Radios an:
Archipel Stations, Berlin | colaboradio, Berlin | frrapó, Potsdam | Initiative für ein Freies Radio in Cottbus | Ohrsicht Radio – Der Klang der Inklusion, Berlin | ONDA, Berlin | Pi Radio, Berlin | Radio Connection Berlin | Radio Ginseng, Grünheide | Radio PAX (Brandenburg a.d.H.) | Radio Słubfurt, (Frankfurt/Oder, Słubice PL) | Radio Woltersdorf | Refugee Radio Potsdam | Sender Freies Ruppin (Neuruppin) | Studio Ansage, Berlin
Weitere Informationen: https://www.fr-bb.org | https://www.freie-radios.de